Die ersten Pendler

Eine Übung mit JQuiz

1. Lies die Geschichte zuerst 2x durch!

2. Merke dir den Inhalt und die Reihenfolge!

3. Verwende immer die best möglichen Antworten!

(An der Prüfung müsstest du die Sätze selber schreiben, hier stehen sie schon. Merke dir, wie du das machen müsstest!)
!!!Viel Erfolg!!!

Die ersten Pendler


01. Wer mehr als zwanzig Jahre mit dem Streckenabonnement der Schweizerischen Bundesbah-
02. nen zu und von der Arbeit gefahren ist, der hat manches mehr oder weniger Angenehme erle-
03. ben können. Es gab eine Zeit, da gab es noch keine besonderen Zugskompositionen für den
04. Vorortsverkehr. Vielmehr war es üblich, in den sogenannten Arbeiterzügen gerade die ältesten
05. Wagen mitzuführen, jene, die noch an die berühmte Spanisch-Brötli-Bahn erinnerten. Das war
06. besonders am Morgen, beim ersten Zug, der Fall. Erst kürzlich habe ich im Eisenbahnmuseum
07. die Einrichtung und den Komfort jener Drittklasswagen bewundert, und es sind mir dabei al-
08. lerlei Erinnerungen aufgestiegen.
09. Da waren sie ja wieder, die schmalen Bänklein mit den senkrechten Lehnen, die das Sitzen mög-
10. lichst unbequem machten. Und die Bänke waren so eng beieinander, dass deine Beine immer mit
11. jenen des Visavis in Konflikt gerieten. Die Fensterchen in den Holzrahmen, die an einem Lederrie-
12. men heruntergelassen und hochgezogen werden konnten, klirrten während der Fahrt, als ob sie je-
13. den Augenblick in die Brüche gehen wollten. Die Beleuchtung war nicht gerade festlich. Vorn in die
14. Stirnwand war eine rauchende Petrolfunzel eingelassen. Das war alles. Wer es bei dem Schütteln
15. und Holpern während der Fahrt mit Darmbeschwerden zu tun bekam, den verwies ein Täfelchen
16. über der Wagentüre tröstend auf das «Kabinett im Gepäckwagen». Eilte er von Wagen zu Wagen
17. nach vorn, dann konnte es passieren, dass er schliesslich an die rauchende Lokomotive starrte, die-
18. weil der Gepäckwagen mit dem ersehnten Kabinett am Schwanz des Zuges angehängt war ...
19. Im Winter brachte der erste Zug Wagen, die die ganze Nacht in der Kälte draussen gestanden
20. hatten. Der kleine Zylinderofen in der Ecke des Wagens war wohl angefeuert, aber das Ther-
21. mometer zeigte immer noch um null — manchmal auch einige Grade darunter. Da hockten wir
22. uns denn, in unsere Mäntel gehüllt, um den Ofen und gaben uns alle Mühe, das Feuer anzufa-
23. chen. War es ausgegangen — was nicht selten der Fall war —, dann wurden von den aufge-
24. schichteten Scheitern Späne geschnitzt, und das Feuer loderte bald lustiger als zuvor. Bis nach
25. Zürich hinauf machten wir das Ofenrohr sogar rot glühend, und das Thermometer stieg auf
26. sechs bis acht Grad. Da konnte dann dem alten Werkstättearbeiter Frei, der in aller Herrgotts-
27. frühe von Oetwil kam, der steif gefrorene Schnauz doch auftauen.
28. Wir waren gewöhnlich dieselben wenigen Frühaufsteher im Abteil, darunter der grosse Wei-
29. lenmann und der wortkarge Amstutz, und wir haben uns gut verstanden. In Schlieren und
30. Altstetten gabs einigen Zuzug. «Händ er scho warm?», war gewöhnlich mit dem Morgengruss
31. verknüpft. Redlich Mühe gaben wir uns immer, das Abteil zu erwärmen, wobei es an einem
32. gelegentlichen Disput mit dem bärbeissigen Kondukteur nicht fehlte. Die Fahrzeit von Dieti-
33. kon nach Zürich betrug 25 Minuten. Am Dienstag und am Freitag gings etwas länger, denn da
34. kamen die Marktfrauen mit Körben und Zeinen, manchmal etwas verspätet; aber das Zugsper-
35. sonal hielt es unter seiner Würde, den Frauen vor der Nase wegzufahren. Etliche von ihnen
36. hatten auch schon einen langen Weg hinter sich; namentlich jene, die sogar von Hausen oder
37. Bellikon über den Berg herunterkamen, eine schwere Zeine auf dem Ringkissen auf dem Kopf
38. balancierend und an jedem Arm einen Korb angehängt. Das waren noch Leistungen.

Aus Heinz Lüthi: «Anno dazumal, Inserate und Texte als Denkanstösse», ZKM-Verlag, 2004,
basierend auf: «Die Limmat und das Dorf Dietikon. Die Jugenderinnerungen des Jakob Grau»